Astronomischer Arbeitskreis

100 Jahre Math.-Nat.: Wie alles anfing

 

Erwarten Sie jetzt bitte keine gedrängte Darstellung der Schulhistorie des Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Gymnasiums Mönchengladbach. Diese Dinge werden um die Jubiläumsfeiern herum sicher hier und dort zu hören und/oder zu lesen sein. Diesmal geht es um die Astronomie und unsere alte Penne: Nicht erst seit den Aktivitäten unseres Arbeitskreises gibt es sternkundliche Aktivitäten am Math.-Nat. Wohl schon zu Beginn fand die Astronomie im Rahmen des Erdkunde- und des Physikunterrichts ihren Platz. Und natürlich konnte man das auch erwarten, denn es handelt sich ja um ein “Naturwissenschaftliches” Gymnasium!

 

1841 wurde in Mönchengladbach eine lateinlose höhere Privatschule gegründet, um denjenigen eine Vorbereitung zu ermöglichen, die Berufe aus den Bereichen Handel, Gewerbe und Technik anstrebten. Am 27. Februar 1860 wurde die nun erweiterte höhere Bürgerschule anerkannt. Um aber die Vorschriften der damaligen Behörden ganz erfüllen zu können, musste auch Latein gegeben werden. So schloß sich das evangelisch geprägte Bürgergymnasium mit dem kath. Progymnasium unter Mitwirkung der Stadt Mönchengladbach am 26. April 1877 zusammen. Auch ich mußte noch Ende der 60er Jahre meine Schulzeit auf dem Naturwissenschaftlichen mit Latein beginnen.

 

Am 25. April 1887 begann unter Dr. Klausing, der die Schule bis 1908 leitete, die eigentliche Geschichte des “Math.-Nat.”. Nach zähen Verhandlungen hatte nämlich der Minister für Geistliche-, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten der Gründung einer lateinlosen höheren Bürgerschule zugestimmt. Einige Zeit später kam der lateinlose Zustand ja wieder zum Erliegen…

 

Mit den Räumlichkeiten war das am Anfang noch so eine Sache: Der physikalisch-chemische Unterricht erfolgte im Zimmer eines Gartenhauses im Kaiserpark. Am 12. und 13. Oktober 1889 wurde dann das obere Schulgebäude an der Lüpertzender Straße feierlich eingeweiht.

 

Astronomie stand von Anfang an nur im Rahmen anderer Fächer auf dem Programm. Daran hat sich leider bis heute nichts geändert. Der Initiative der einzelnen Lehrer blieb es vorbehalten, inwieweit das Wissen von den Sternen unter den Schülern Verbreitung fand. Bücher astronomischen Inhalts fanden sich von Anfang an zumindest in der Lehrerbibliothek. So konnte ich vor einigen Jahren im Antiquariat der Buchhandlung Eckers ein solches Exemplar über die “Mathematische Erdkunde” erwerben, welches einmal dort zu finden gewesen sein muss.

 

Insgesamt kann jedoch vermerkt werden, daß in den Preußischen Lehrplänen bis 1918 die Astronomie noch vorkam, vor allem nach dem 2. Weltkrieg, aber auch schon in der Weimarer Zeit kann dieses nicht mehr in einem befriedigenden Umfang festgestellt werden.

 

Umsomehr kam es auf Privatinitiative an. Die Schule half stets, wo es nur eben möglich war. Nicht nur für die Astronomie gibt es Erstaunliches aufzuzeigen: 1906/07 legte Professor Kunkel einen Botanischen Garten auf dem Schulgelände an. Leider ist er dem Erweiterungsbau nach dem 2. Weltkrieg zum Opfer gefallen. Aber Math.-Nat.-ler waren auch bei der Neugestaltung und Betreuung des Botanischen Gartens am Bunten Garten beteiligt. Einer von ihnen war z. B. Studienrat Franz Lomen.

 

In den 20er Jahren erhielt das Gymnasium vermehrt astronomische Lehrmittel: Ein Tellurium, eine Amillarsphäre, Schautafeln und Dias dienten der Unterweisung. ein Refraktor, der möglicherweise bereits vor dem 1. Weltkrieg vorhanden war, wird zum ersten Mal schriftlich erwähnt. Es handelte sich dabei wohl um ein Fernrohr mit Holztubus, Messingfassung und Tischstativ. Dieses Gerät existierte auch nach dem 2. Weltkrieg noch. Dieses gerät scheint als “Ehemaligenspende” in der Schule “hängengeblieben” zu sein. Es stammt womöglich aus den berühmten Werkstätten von Frauenhofer in München!

 

Für die Naturwissenschaften gab es dennoch kaum Platz. In den 20er Jahren konnten wegen Raummangel noch nicht einmal die notwendigsten naturwissenschaftlichen Übungen ausgeführt werden.

 

Besatzung, Ruhrkrise, Separatistenaufstand und die Weltwirtschaftskrise forderten ihren Tribut. Ein schuleigenes Fernrohr trat in den Hintergrund zurück. Erst in den 30er Jahren konnte dann ein 2 Zöller von Carl Zeiss Jena angeschafft werden, der noch bis weit in die 70er Jahre in Funktion war. Nun gab es auch ein Physikzimmer und auf dem Dachboden eine Terrasse für Himmelsbeobachtungen. Ein Werkraum für Flugzeugmodellbau entstand. Die Braunen gestalteten den Betrieb um…

 

Am 31.08.1943 ging das Schulgebäude Lüpertzender Straße bei einem Bombenangriff in Flammen auf. Das Fernrohr konnte jedoch gerettet werden, ebenso wie Teile der naturwissenschaftlichen Sammlung. Mit der Astronomie war es zunächst so ziemlich “aus”: Die Schüler hatten andere Sorgen. Unsere Schule war mit der Unterstufe in Nagold im Schwarzwald evakuiert. Die älteren Schüler taten ihren Dienst als Flakhelfer. Batterien in Mönchengladbach, in Hüls/Marl, in Schlesien oder bei Stettin wurden von Math.-Nat.lern betrieben. Die Lehrer waren übrigens als Unterrichtende mit dabei. Wie bei den Vandalen sah es nach dem Einmarsch der Angloamerikaner aus. Die letzten 100 geretteten Bücher wurden zum Teil geplündert. Die Alliierten bestimmten auch, welche restlichen Bücher noch verwendet werden durften. Manche Schriften konnten wegen NS-Gedankenguts nicht mehr Verwendung finden.

 

Zunächst gab es keine naturwissenschaftlichen Räume. Unterrichtet wurde sogar in einem Wartezimmer einer Arztpraxis an der Lüpertzender Straße.

 

In den 50er Jahren erholte sich dann auch die Astronomie. Vor allem das Schulfernrohr erfreute sich einer gewissen Beliebtheit. Von privater Seite wurde eine Kleinbildkamera gestiftet. Und in den Tintenklexen, einer Schülerzeitung, kann man schöne SW-Bilder von Mondfinsternissen, Sonnenfinsternissen und Sternfeldaufnahmen finden.

 

Studienrat Sudhoff war ein Mentor der vielfältigen Schülerinitiativen. So schrieb er 1962: “Wer den gestirnten Himmel über mir ‘Kants nie wirklich bewußt erlebt hat, der wird auch’ das moralische Gesetz in mir ‘kaum noch sehr tief empfinden.”

 

Stefan Thomae, Klaus Süs und andere gründeten eine Arbeitsgemeinschaft. Sogar ein Berechnungsprogramm für die Bestimmung von Höhen auf dem Mond entstand. beobachtet wurde im alten Gebäude auf einer Terrasse oberhalb des Physik-Hörsaals. Der nahe Park bot Lichtschutz und Idylle zugleich. Eine kleine Dachbodenkammer nahm das Gerät auf, wenn nicht zu den Sternen geschaut werden konnte. Fotos entwickelte man in einem kleinen Labor neben dem Physik-Hörsaal.

 

Vor allem Studiendirektor Wilhelm Schöngen unterstützte seit den 60er Jahren die Schüleraktivitäten. Auch Direktor Werner Schafhaus war uns ist ein bedeutender Förderer der Schulastronomie – trotz und gerade wegen der mangelhaften Lehrplanverankerung. Die Raumfahrt faszinierte zunehmend. Und so entstand 1971 eine Arbeitsgemeinschaft Weltraumfahrt. Michael Knöpfle, Karl-Heinz Herpens jun. und ich waren mit Enthusiasmus dabei. Wernher von Braun, Kurt Debus und Hermann Oberth waren unsere Vorbilder. Und jeder träumte von einem Flug zum Mond. Ein Infobrett, später ein Schaukasten waren Ausdruck ständiger Aktivität.

 

Das Ausscheiden der “Astronomen” um Thomae und Süs wegen der Reifeprüfung führte dann dazu, daß die Arbeitsgemeinschaften Astronomie und Weltraumfahrt 1973 zur Schulsternwarte fusionierten. Neue Mitarbeiter traten hinzu. Mit viel Fleiß und teilweise unter Vernachlässigung des Lernens für die klassischen Fächer Latein, Englisch etc. ging es ans Werk. Ich kann mich noch gut an die warmen Worte meiner Eltern erinnern. Genauso gut erinnere ich mich an das Hochgefühl, als ich nach einer erfolgreichen Beobachtung des Uranus mit dem Schulfernrohr per Fahrrad durch das abendliche Mönchengladbach nach Hause fuhr. Der Himmel war uns offen. Und er war so grandios, daß dahinter die Schulsorgen ziemlich unbedeutend erschienen. Beobachtungsabende, Broschüren, Informationsschriften und Vorträge waren zu schreiben.

 

1974 gründeten wir dann den Astronomischen Arbeitskreis Mönchengladbach. Wolfgang Oehm und Gerhard Heitbrink sind hier als Vertreter der ersten Stunde zu nennen. Man wollte einen Interessenkreis schaffen, der über die Schule hinauswies. Karl-Heinz Herpens jun. blieb zunächst Vertreter der Schulsternwarte. Er war es auch, der sich für die Anschaffung eines Schmitt-Spiegels einsetzte und ihn auch erhielt. Die Verwirklichung eines Beobachtungsgerüstes auf der neuen Schule an der Viktoriastraße konnte realisiert werden, leider war es ein totgeborenes Kind, wofür u. a. auch der Ausbau der Rheydter Straße (Streulicht!) verantwortlich ist.

 

Der Astronomische Arbeitskreis Mönchengladbach entwickelte sich in den laufenden Jahren immer mehr zu einem Verein für alle astronomisch Interessierten in unserer Heimat. 1980 erfolgte die Eintragung in das Vereinsregister: Vorher – 1978 – entstand das F. W. Bessel-Institut auf der Hoffnungsstraße – dank der Initiative meines Vaters.

 

Karl-Heinz Herpens sen. trieb die Bemühungen um die Errichtung einer eigenen Sternwarte voran, die 1984 auf dem Flughafen Mönchengladbach Wirklichkeit wurde. Aber die Verbindung mit unserem Math.-Nat. blieb und soll bleiben. Vorträge, ein Schaukasten und anderes sind feste Bestandteile unserer Aktivitäten an der alten Penne. Dabei mag man in Zukunft einmal mehr daran denken, daß die Astronomie in Mönchengladbach wesentlich vom Naturwissenschaftlichen Gymnasium beeinflußt worden ist.

 

Wie sagte 1962 Studienrat Sudhoff: “So ist es also das hohe sittliche Ziel naturwissenschaftlicher Bildung, daß wir im Streben nach unbedingter Wahrhaftigkeit zu dem Gefühl der Ehrfurcht vor dem Leben und der ganzen Schöpfung geführt werden.”

 

Dr. Joachim Kragl, 1987